Menschliche Werte versus Werte der Wirtschaft

Ein Wertekonflikt ganz grundsätzlicher Art

… findet sich zwangsläufig zwischen den Werten die in der heutigen Wirtschaft gelten und den Werten der alltäglichen, zwischenmenschlichen Beziehungen. Durch die Vorrangstellung, welche die Wirtschaft ganz selbstverständlich für sich beansprucht, durchdringen und verdrängen „Werte der Wirtschaft“ inzwischen die „menschlichen Werte“ Werte massiv — mit steigender Tendenz, und vor allem, mit verheerenden Folgen für zwischenmenschliche Beziehungen, die Gerechtigkeit, den Zusammenhalt der Gesellschaft, die Demokratie und die Beziehungen zwischen Staaten und Staatenbündnissen.

Es lohnt sich deshalb, an dieser Stelle etwas genauer auf diesen Konflikt zu schauen, denn bei der Ermittlung wichtiger Werte für das eigene Leben werden hier entscheidende Vorentscheidungen getroffen die in alle Lebensbereiche hineinreichen.

Anmerkung: Zur Analyse dieses Wertekonfliktes lehne ich mich sehr stark an die Kurzanalyse von Christian Felber in seinem Buch „Gemeinwohl-Ökonomie, Piper Verlag GmbH, München 2018, Seite 7 bis 26“ an. In Felbers Buch wird meines Erachtens sehr klar und knapp dargestellt, welche Werte der Wirtschaft die Werte des Zusammenlebens in einer Gesellschaft beeinflussen oder gar verdrängen. Felber beschreibt die Folgen für den einzelnen Menschen und die Gesellschaft, zeigt aber mit seiner „Gemeinwohl-Ökonomie“ aber auch neue Wege auf.

Als Literaturhinweis aus einer Vielzahl von Büchern zum Thema seien noch genannt:
1. „Das Kapital im 21. Jahrhundert“ von Thomas Piketty“ (C.H.Beck Verlag, 816 Seiten, ISBN: 978-3-306-67131-9) als Bestandsaufnahme des Kapitalismus im 21. Jahrhundert.
2. „Alles könnte anders sein “ von Harald Welzer mit Zukunftsutopien gegen die Hoffnungslosigkeit der jetzigen Welt.
3. „Unsere Welt neu denken“ von Maja Göpel mit modernen Lösungsansätzen für die Welt von Morgen.

Menschliche Werte als diametraler Gegensatz zu Werten in der Wirtschaft

Felber stellt fest: „In Freundschafts- und Alltagsbeziehungen geht es uns gut, wenn wir menschliche Werte leben: Vertrauensbildung, Ehrlichkeit, Wertschätzung, Respekt, Zuhören, Empathie, Kooperation, gegenseitige Hilfe und Teilen.

Die freie Marktwirtschaft beruhe jedoch auf Gewinnstreben und Konkurrenz. Dies befördere Egoismus, Gier, Geiz, Neid, Rücksichtslosigkeit und Verantwortungslosigkeit.

„Dieser Widerspruch ist nicht nur ein Schönheitsfehler, … sondern ein kultureller Keil; er spaltet uns im Innersten – sowohl als Individuen als auch als Gesellschaft.

Wenn im Alltag Werte der Vertrauensbildung, Kooperation und Teilen maßgeblich sind — andererseits in einem anderen Lebensbereich Verhaltensweisen der Marktwirtschaft gefordert werden, die in genau entgegengesetzter Richtung zu Egoismus, Konkurrenz und Gier anreizen, so kommt es in jedem Menschen zu dem heillosen Widerspruch, welchen Werten wir denn nun folgen sollen.

Es gibt zwar kein Gesetz man solle egoistisch, gierig, geizig, rücksichts- und verantwortungslos sein. Es ist jedoch vorherrschende Auffassung ( … die weitgehend sogar als alternativlos angesehen wird), dass die Regeln der freien Marktwirtschaft, nämlich Wettbewerb und Streben nach Finanzgewinn erstrebenswert sind. Das ist auch in zahlreichen Gesetzen, Regulierungen und Abkommen zwischen Nationalstaaten vereinbart, z.B. Grundlage des Lissabon Vertrages der EU und Basis der Welthandelsorganisation (WTO).

Waren und Dienstleistungen wurden zwischen Menschen schon immer getauscht. Der Handel von Waren und Dienstleistungen gegen Geld, ist so alt wie das Geld selbst. Denn es ist ja gerade der Sinn des Geldes, den Handel durch ein universelles „Tauschgut“ ( = Geld ) zu erleichtern und zu beschleunigen. Auch im römischen Reich gab es bereits eine „Marktwirtschaft“, wenn man darunter versteht, dass überall Märkte existierten und schwunghafter Handel betrieben wurde.

Der Begriff Marktwirtschaft taucht in der deutschen Nationalökonomie jedoch erst in den frühen 1930er Jahren auf (Quelle: Wikipedia „Marktwirtschaft“).

Zusammen mit der Annahme einer „unsichtbaren Hand des Marktes“ lieferte Adam Smith damit die theoretischen Grundlagen des Liberalen Wirtschaft.

Es besteht jedoch ein Widerspruch zu einem früheren Werk von Adam Smith, nämlich der „Theorie der ethischen Gefühle“ in welchem er feststellt: „Mag man den Menschen für noch so egoistisch halten, es liegen doch offenbar gewisse Prinzipien in seiner Natur, die ihn dazu bestimmen, an dem Schicksal anderer Anteil zu nehmen, und die ihm selbst die Glückseligkeit dieser anderen zum Bedürfnis machen, obgleich er keinen anderen Vorteil daraus zieht, als das Vergnügen, Zeuge davon zu sein.“ … Wie passt das zusammen? Dieser scheinbare Widerspruch ist in der Forschung als „Adam-Smith-Problem“ lange diskutiert worden. Manche Kritiker meinen, es sei zwischen den beiden Werken zu einem Umschwung in Smiths Denken gekommen; andere sehen die Bücher als einander ergänzend an: Das Eigeninteresse ist demnach für Smith eine zentrale Kategorie, jedoch immer innerhalb eines ethischen Rahmens, welcher durch die Sympathie bestimmt wird. (Quelle: getabstract)

Betrachtet man, dass 250 Jahre nach der Erstveröffentlichung 9. März 1776 vergangen sind, dürfte zu erwarten sein, dass die Lehr- Forschungsarbeit weiter fortgeschritten ist. Denn zum damaligen Zeitpunkt waren “ … Unternehmen überwiegend winzig und machtlos, außerdem lokal eingebunden und persönlich verantwortlich: Unternehmensgründer, Eigentümer, Arbeitgeber und Arbeitnehmer bildeten in vielen Fällen noch eine Personalunion. Es gab keine anonymen, globalen Aktiengesellschaften, keinen freien Kapitalverkehr und keine milliardenschweren Investmentfonds:“ (Zitat: Gemeinwohlökonomie; Christian Felber, Piper Verlag München, 2018, Seite 14). Außerdem gab es in dieser Zeit eine Vielzahl von Wirtschaftskrisen, Kriegen, eine große Zahl davon zur Erzielung von wirtschaftlichen Vorteilen (Liste von Kriegen nach Wikipedia), Seuchen, Naturkatastrophen mit verheerender Wirkung auf Leben und Gesundheit von Menschen weltweit. Tatsächlich gab es immer wieder regelmäßige Aus- und Umformungen der Theorie liberaler Märkte bis zur heutigen Ausprägung in der Form des Neoliberalismus. Außerdem gilt die Marktwirtschaft als Gewinner des Wettstreits zwischen der Marktwirtschaft und dem Sozialismus nach dem Fall der sozialistischen Systeme ab Mitte der 80 er Jahre des 20. Jahrhunderts und ist in unterschiedlichen Ausprägungen seitdem global verbreitet (Globalisierung).

Nicht verändert haben sich die zwei Grundlagen der wirtschaftswissenschaftlichen Betrachtung der Marktwirtschaft, nämlich die von einer „unsichtbaren Hand des Marktes“, und die vom „Egoismus des Einzelnen der das Gemeinwohl fördert“.

In der Folge bestimmen die Werte der neoliberalen Marktwirtschaft (des Kapitalismus), nämlich Egoismus, Gier, Geiz, Neid, Rücksichtslosigkeit und Verantwortungslosigkeit inzwischen alle (!) Lebensbereiche weltweit, nicht nur in der Wirtschaft.