Freier Wille und Stoiszismus

Die unmittelbare Übernahme der „stoischen Lehre“ in unsere heutige Zeit ist wegen der großen Erweiterung des Wissens und neuer weltanschaulicher Ideenansätze natürlich nicht möglich.

Die kosmologische, auf Ganzheitlichkeit der Welterfassung gerichtete Betrachtungsweise, aus der sich ein in allen Naturerscheinungen und natürlichen Zusammenhängen waltendes universelles Prinzip ergibt, mutet jedoch geradezu modern an. Wenngleich in den modernen Einzelwissenschaften (Physik, Chemie, Medizin, Biologie etc.) inzwischen eine tiefere, detaillierte Sicht auf die Welt vorhanden ist, gibt es auch hier Bestrebungen nach einer ganzheitlichen Sicht (z.B. Nichtlokalität in der Quantenphysik) oder der Suche nach einer „Theorie von Allem“ (Weltformel). Allerdings ist die Suche nach einer Weltformel bislang erfolglos. Ein Ergebnis ist ungewiss, vielleicht gar unrealistisch?

Das Universum antwortet (bislang) nicht ….

Wie ich aber in meinem Exkurs zum „freien Willen in der Stoa“ schon aufzeigte, ist die starke Betonung einer „Vorherbestimmung“ (Determinismus) alles Geschehens schon seit der Antike bis in die heutigen modernen Wissenschaften ein ständiger Kritikpunkt am stoischen Gedankengut. Da das „gedankliche Konzept“ eines freien Willens erst im 19. und 20. Jahrhundert stärkere Bedeutung erfuhr, man heute bei der Interpretation antiken Schrifttums durchaus kontroverse Darstellungen findet kann ich mir (nicht nur zu diesem Teilaspekt) des stoischen Gedankenguts kein klares Bild verschaffen. Dies gilt umso mehr, da ich weder die altgriechische Sprache beherrsche, noch die Lebensumstände und vor allem die Denkweise der Menschen dieser Zeit nicht kenne und nachvollziehen kann. Eine tiefergehende Beschäftigung wäre zwingend erforderlich! Dies scheint mir aber nicht leistbar, wenn ich mein Ziel Gelassenheit zu erlangen verfolgen will.

Ich habe mich deshalb entschlossen, Aphorismen, Zitate, Sinnsprüche etc. mehr antiker (auch neuerer) Autoren zu sammeln, diese so zu lesen als wären sie von einem Menschen der heutigen Zeit, anhand mir bekannten Wissens der Neuzeit zu wichten und werten … um so zu einem praktikabelen Weg zur Gelassenheit zu finden.